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[Ebun]

Verfasst am: 13.07.2011, 11:15    Titel: Ohne Worte! Grrrr...
Oh mann, ich könnt grad ko***!!! Auf der Suche nach meiner alten Zeugnismappe, habe ich mein Sammelsurium an alten Liebesbriefen, Urlaubskarten usw. in die Hände bekommen und konnte nicht umhin, mal drin zu stöbern. Grad hab ich noch die Briefe von meinem damaligen französischen Austausch-Schüler in der Hand und schwelge in positiven Erinnerungen, da fällt mir eine Karte in die Hand, die mein Stiefvater mir einst schrieb. Er hat so klein es nur ging geschrieben, damit möglichst viel Text auf das kleine Feld paßt, um mir so richtig einen reinwürgen zu können Ich zitiere mal: "Hallo C., schöne Grüße von der Insel Reichenau. Wie geht es Dir und Deinem Freund D.? Schreib doch mal! Sag mal, kann ich davon ausgehen, daß Du Deine Mutter z. Zeit wirklich unterstützt, so wie ich es mir wünsche? Dir ist doch bekannt, daß du Mami bis März auf jeden Fall unterstützen sollst, sowie Deine Oma nachmittags. Ich möchte Dich hieran nochmals erinnern, denn es kommt z. Z. zu Hause auch auf Deine Hilfe an, oder gehst Du so blind durchs Leben, daß Du das Umfeld Deiner Familie nicht mehr siehst und Du nur noch an Deine Interessen denkst. Ich möchte, daß Du hier- über mal nachdenkst, und zwar bald. Dein Cousin S. hat demnächst Geb., bitte schreib mir die Adresse und das Geburtsdatum, o.k.? Schöne Grüße an D., Deine Geschwister und ganz besonders an Mami u. meine Eltern. Bis bald, ade euer Papi" Die Karte wurde am 10.12.1990 verschickt, ich war da gerade knapp 17 Jahre jung... Er schrieb sie, während er zur Meisterschule in Konstanz am Bodensee ging und nur hin und wieder am WE heim kam. Es wühlt so vieles auf, und ich spüre wieder die viel zu große Verantwortung, die mir schon so früh auferlegt wurde! Ich war damals frisch verliebt und es tat sich eine Tür raus aus meinem Gefängnis auf - da stellt ER sofort seinen Fuß davor, damit ich nur ja nicht hindurch passe! Alle anderen waren sooo wichtig, allen sollte ich helfen. Und wer half mir??? Als ich 11 war, mußte meine Mutter einige Zeit ins Krankenhaus. Ich hatte derweil meinen kleinen Bruder zu versorgen. Er war da ein knappes Jahr alt und trank noch regelmäßig sein Milchfläschchen mit Schmelzflocken. Da ich damals schon für den Einkauf zuständig war und übersah, daß die Schachtel fast leer war, hatten wir eines Sonntags nicht mehr genug für eine ganze Flasche. Ich versuchte mit Breipulver zu strecken, aber es schmeckte ihm nicht und er schrie wie verrückt. Mein Stiefvater lag noch im Bett, schließlich hatte ER ja Wochenende... In meiner Not raste ich mit dem Fahrrad den knappen Kilometer zum Edeka-Lädchen im Dorf und klingelte mit klopfendem Herzen an der Tür der Inhaber (sie wohnten über dem Laden). Herr N. öffnete, schon im Sonntagsstaat, weil sie gleich zur Kirche wollten. Ich stammelte vor mich hin, daß ich dringend Schmelzflocken bräuchte, und daß es mir so leid täte ihn jetzt zu stören, aber das Baby würde doch so sehr weinen und ich wüßte nicht, was ich sonst tun sollte. Er verkaufte mir daraufhin eine Packung, sagte aber noch dabei, er müsse wohl mal ein ernstes Wort mit meinen Eltern darüber sprechen. Ich hatte solche Angst!!! Als ich zurück kam, weinte mein Bruder noch immer, ich machte mit fliegenden Fingern die Milch, fütterte ihn, und als er sich endlich beruhigte, ging ich zu meinem noch immer schlafenden Vater und beichtete ihm, was eben geschehen war und daß Herr N. mit ihm sprechen wollen würde. Wie erwartet gab es eine fürchterliche Standpauke, von Hilfe oder Mitgefühl keine Spur. Wie kann man nur so gefühlskalt und herzlos sein??? Danke für´s zulesen, wer es bis hierher geschafft hat. Es mußte einfach mal raus _________________ "Nur im Vorwärtsgehen gelangt man ans Ende der Reise." (Ovambo)

[jK]

Verfasst am: 13.07.2011, 12:32    Titel:
Hallo Ebun, es ist wirklich eine grauenvolle Folter was Dein Vater Dir für eine Last auf die kindlichen Schultern auferlegt hat, empörend und macht mich so richtig wütend auf diesen Erzeuger das zu lesen. Ich kann in etwa nachvollziehen wie aufwühlend das für Dich ist, das schwarz auf weiß zu lesen... aber es hat auch etwas Positives, Du hast quasi einen Beweis für die grausame Wahrheit und Gefühlskälte, die jeden Zweifel, dass es vielleicht 'nicht so schlimm war' restlos ausräumt. Alles Liebe, viel Mut und Kraft auf Deinem Weg jK _________________ Wir sind umgeben von emotionaler Blindheit, doch es wird kommen, für immer mehr, die Zeit, wo es Menschen in die eigene Wahrheit treibt. Wer erst einmal die ganze Wahrheit sehen kann, meint sterben zu müssen oder verzweifeln daran, doch in Wahrheit fängt man endlich zu leben an! ©by jK